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Welches Futter ist gut für die Verdauung?

 

Wie sieht eine magenschonende Fütterung aus? Und welche Futterinhaltsstoffe fördern einen gesunden Magen-Darm-Trakt sowie ein gesundes Darmmilieu? Wir von marstall haben die Sachverständige für Pferdezucht und -haltung Dr. Christa Finkler-Schade für Sie befragt.


Christa Finkler-Schade

Sachverständige für Pferdezucht und -haltung Dr. Christa Finkler-Schade

marstall: Magen und Darm sind wichtige Organe im Körper, die jedoch leider vor allem bei Pferden leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen sind. Warum?

Dr. Finkler-Schade: Der Verdauungstrakt des Pferdes als ehemaliges Steppentier ist bis heute an die ursprünglichen Bedingungen angepasst. Das heißt:

Es ist eine hohe Adaptation an die Aufnahme und Verwertung schwer verdaulicher Futterpflanzen gegeben. Deshalb ist die adäquate Versorgung der Pferde mit Strukturfuttermitteln, wie Weidegras, Heu und Stroh, ein Garant für deren Gesundheit und Wohlbefinden.

Die Futteraufnahme erfolgt mehr als 15 bis 16 Stunden pro Tag in kleinen Mengen und bei langsamer Fortbewegung. Das bedeutet, dass die Dauer der Futteraufnahme neben dem Effekt einer langen Beschäftigung auch einen großen Einfluss auf die gleichmäßige Zahnabnutzung und die Speichelbildung hat (korreliert mit der Fressdauer). Die Speichelmenge wiederum ist entscheidend für eine ungestörte Magenverdauung.

Durch die heutigen Bedingungen in der Pferdehaltung können diese für das Pferd wichtigen Kriterien nicht immer sichergestellt werden ─ beispielhaft seien nur der hohe Kraftfuttereinsatz und quantitativ und/oder qualitativ unzureichendes Raufutter genannt. Da Pferde auf Fütterungsfehler sehr empfindlich reagieren, sollten diese natürlich möglichst vermieden werden. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass die Fütterungssituation immer eng mit den Haltungsbedingungen verknüpft ist und dass diese beiden Faktoren immer im Zusammenhang gesehen werden müssen.

marstall: Welche Ursachen für Magen-Darm-Probleme sind besonders häufig?

 

Dr. Finkler-Schade: Aus meiner Sicht sind ein unzureichendes Know-how der Personen, die die Pferde füttern/halten, und daraus resultierende Fütterungsfehler ein zunehmendes Problem. Häufige Fehler sind:

  • Fütterung von zu hohen Getreide-/Kraftfuttermengen bzw. im Verhältnis zu wenig Raufutter
  • hygienisch belastetes Futter
  • Fütterung von Futtermitteln mit zu hohen, aber auch zu niedrigen Nährstoffgehalten im Verhältnis zum Bedarf des Pferdes
  • Stress der Pferde durch hohe Beanspruchung, aber auch durch das Sozialverhalten in der Gruppe (besonders bei rangniederen Pferden)
  • Zu hohe Futtermengen pro Mahlzeit und zu große zeitliche Abstände zwischen der letzten Fütterung am Tag und der nächsten Fütterung am Morgen, sofern nicht genügend Zugang zu Raufutter besteht (z.B. Pferde auf Spänen)
  • Fütterung größerer Mengen an nicht aufgeschlossener Gerste oder Mais (Problem: niedrige Dünndarmverdaulichkeit der Stärke und daraus resultierende höhere Säuremengen im Dickdarm)
  • Nicht angepasste, zu hohe Stärke- und/oder Zuckergehalte in der Fütterung lösen immer häufiger metabolische Erkrankungen aus

marstall: Verständlicherweise wollen Pferdebesitzer durch Futtermittel Magen- und Darmerkrankungen vorbeugen. Worauf sollten sie besonders achten und warum?

 

Dr. Finkler-Schade:

  • Es sollte eine kontinuierliche Futteraufnahme, möglichst bodennah, möglich sein.
  • Fresspausen sollten nicht länger als vier Stunden dauern!
  • ausreichendes, strukturiertes Futterangebot (Raufutter)
  • Wichtig ist die Auswahl geeigneter Futterqualitäten (wer wird gefüttert?); das gilt sowohl für Rau- als auch für Kraftfutter!
  • hygienisch einwandfreies Futter
  • Ausgewogenheit der Nährstoffversorgung!
  • Ausreichende Größe und Anzahl der Fressplätze, um Stress bei der Futteraufnahme zu vermeiden
  • Ausreichende Versorgung mit qualitativ gutem Wasser

 

marstall: Was kann aus Fütterungssicht helfen, wenn ein Pferd bereits Kolik, Kotwasser, Durchfall oder andere Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts zeigt?

 

Dr. Finkler-Schade: Es sollte eine gründliche Analyse der Fütterungssituation erfolgen, denn Erkrankungen des Verdauungstrakts haben, sofern organische Krankheiten ausgeschlossen werden können, oft menschliche Ursachen durch eine falsche Futterwahl, Stress oder Fütterungsfehler. Ein großes Problem stellt mittlerweile auch die Futterhygiene dar, da Pferde auf hygienisch belastetes Futter sehr empfindlich reagieren. In Verdachtsfällen sollten immer auch hygienische Untersuchungen erfolgen.

Darüber hinaus muss bei der Planung und Durchführung der Ernte sowie bei der Futterlagerung größte Sorgfalt angewendet werden. Es sollte möglichst keine Raufutterlagerung im Freien erfolgen (Ausnahme: Heulage in Folie), da es durch den Einfluss von Feuchtigkeit nach einiger Zeit immer zu Verderbnisvorgängen kommt. Beim Kraftfutter versteht sich eine Lagerung in geschlossenen, trockenen Räumen bzw. eine regelmäßige Säuberung von Futtersilos von selbst, ist aber in der Praxis leider keine Selbstverständlichkeit!

Neben diesen Vorsorgemaßnahmen können Produkte Verwendung finden, die die Verdauung stabilisieren und die Mikrobenflora im Dickdarm positiv unterstützen, denn eine gesunde Flora ist ein Garant für eine gut funktionierende Verdauung und ein gesundes Immunsystem.

marstall: Liest man die Zusammensetzung von Futtermitteln durch, die als besonders schonend für Magen und Darm beschrieben werden oder ein positives Darmmilieu fördern sollen, tauchen immer wieder die gleichen Zutaten auf. Können Sie bitte kurz erklären, welches die wichtigsten Inhaltsstoffe sind, was diese bewirken und warum sie besonders gut für Magen und Darm sind?

 

Dr. Finkler-Schade:

Apfelpektin

Äpfel haben einen hohen Wassergehalt und die Trockensubstanz besteht aus Zucker (Polysaccharide) und Pektinen. Die Pektine sind im Dickdarm für die Bakterienflora energieliefernd und von ihr leicht abbaubar. Das bedeutet, dass sie die Flora positiv beeinflussen und damit auch alle Darmfunktionen. Pektinreich sind insbesondere die Trester, also die Pressrückstände aus der Saftgewinnung.

 

Biertreber-Hefe (BT-Hefe)

Bierhefe ist ein Produkt, das bei der Bierherstellung anfällt und tote Hefebakterien in getrockneter Form enthält (Präbiotika). Sie ist äußerst hochwertig hinsichtlich ihres Gehalts an Protein, essentiellen Aminosäuren und B-Vitaminen.

 

Lebendhefe

Lebende Hefebakterien gehören, wie die Hefebakterien in der Bierhefe, zur Gattung Saccharomyces cerevisiae. Sie wirken sich positiv auf die Darmflora ─ und damit auf die Verdauung im Allgemeinen ─ und auf das Immunsystem aus. Bei den in der Pferdefütterung verwendeten Lebendhefen handelt es sich um lebende, aber nicht vermehrungsfähige Mikroorganismen (Blähungen, Durchfall und Koliken werden damit ausgeschlossen), die den Magen passieren und ihre Wirkung im Dickdarm entfalten. Die Anzahl der koloniebildenden Einheiten gibt Auskunft über den Gehalt an aktiven Hefebakterien.

 

Leinöl und Leinsamen

Leinöl ist das extrahierte Öl aus dem Leinsamen. Es ist als eines der wertvollsten Öle in der Pferdefütterung anzusehen, da es hohe Gehalte an Omega-3-Fettsäuren und sogenannte Polyphenole enthält, die antioxidativ wirken, d.h. sie schützen die Zellen vor freien Radikalen.

Leinsamen enthält einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren und Schleimstoffen und hat einen hohen Energie- und Proteingehalt (17,4 MJ ME und 165 g dvRP*/kg). Die Schleimstoffe haben eine schützende Wirkung auf die Schleimhäute von Magen und Darm (entstehen in Verbindung mit Wasser/Speichel). Pferde profitieren nach Erkrankungen oder in Form einer Kur vor oder im Fellwechsel von den positiven Wirkungen. Leinsamen sollten kurz vor der Fütterung zerkleinert oder gequetscht werden, damit sie ausreichend aufgeschlossen werden können (sehr harte Schale). Beim Großpferd können 100 bis 120 Gramm pro Tag ohne Bedenken gefüttert werden, größere Mengen müssen wegen des Blausäuregehalts gekocht werden ─ durch das Kochen wird die Säure inaktiviert.

Lignocellulose

Als Lignocellulose wird die verholzte Zellwand von Pflanzen bezeichnet. In Futtermitteln kommt sie wegen ihres hohen Rohfasergehalts und des hohen Gehalts an Cellulose und Lignin zum Einsatz. Aufgrund ihrer hohen Wasserbindungskapazität kommt ihr in Verbindung mit dem Phänomen des „freien Kotwassers“ Bedeutung zu.

 

Struktur

Strukturiertes, rohfaserreiches Futter ist für Pferde – genauso wie Energie und Nährstoffe – lebensnotwendig. Strukturreiches Futter lässt Pferde intensiv kauen und einspeicheln, womit die gesamte folgende Verdauung eingeleitet wird.

Rohfaser kann Pferden auch zerkleinert vorgelegt werden (z.B. in Form von Cobs, Pellets oder Grünmehl). Sie liefert dann zwar auch den Nährstoff Rohfaser für den Dickdarm und die dortige Mikrobenflora, die ursprüngliche Struktur ist jedoch zerkleinert und wirkt damit nicht mehr vergleichbar kaufördernd. Das hat zur Folge, dass kürzer gekaut wird und weniger intensiv eingespeichelt wird.

Die Risiken einer unzureichenden Versorgung mit Strukturstoffen umfassen insbesondere die Folgen zu kurzer Kauzeiten:

  • Fehlgärungen in Magen und Dünndarm
  • Weniger Zahnabrieb führt zur Hakenbildung
  • Langeweile/Verhaltensauffälligkeiten durch zu kurze Futteraufnahmezeiten


Weizen(schäl)kleie

Weizenkleie ist ein Produkt, das bei der Mehlherstellung gewonnen wird. Sie besteht aus den äußeren Schichten des Getreidekorns. Je nach Ausmahlungsgrad des Weizens sind auch noch unterschiedliche Restmengen an Stärke enthalten (die Stärke bildet den Mehlkörper eines Korns und wird zu Mehl vermahlen). Weizenkleie hat eine diätetische Wirkung, da die Nicht-Stärke-Anteile aus Kohlenhydraten wie Cellulose, Hemicellulose und Lignin bestehen – allesamt Ballaststoffe, die eine sehr große Oberfläche haben. Dadurch kann sehr viel Feuchtigkeit aufgesaugt werden und die Wirkung ist leicht abführend. Weizenkleie beeinflusst die Verdauungsvorgänge ─ ob trocken oder feucht gefüttert ─ sehr positiv.

 

Zichorienpülpe

Zichorienpülpe ist ein Nebenprodukt der Inulinproduktion aus der Zichorienwurzel. Sie ist reich an verdaulichen Zellwänden und als Ballaststoff einzuordnen. Das Inulin in der Pülpe hat eine prebiotische Wirkung, da es die Darmfunktion unterstützt und zur Reduktion von Kotwasser beitragen kann.

 

marstall: Sie haben unter anderem die Weizen(schäl)kleie genannt, die wie das Weizennachmehl auch als Mühlennachprodukt bezeichnet wird. Mühlennachprodukte stehen in der Pferdefütterung immer wieder in der Kritik. Andererseits werden auch deren positive Eigenschaften in einer entsprechend ausgeglichenen Ration immer wieder thematisiert. Wie sehen Sie das?

 

Dr. Finkler-Schade:Kritisch sind Mühlennachprodukte dann zu sehen, wenn sie den Großteil eines Mischfutters ohne nennenswerte hochwertige Bestandteile ausmachen. Wie oben geschildert, können Mühlennachprodukte auch wertvolle und gewünschte Wirkungen erzielen. Es hängt immer vom Einsatzzweck eines Futtermittels ab, wie die Zusammensetzung einzustufen ist.

 

marstall: Kurz zusammengefasst, was sind die wichtigsten Punkte für Magen und Darm bei der Fütterung?

 

Dr. Finkler-Schade: Eine langfristig gesunde Fütterung basiert auf einem qualitativ guten und hohen Raufuttereinsatz in Kombination mit bedarfsorientierten, gut verdaulichen Ergänzungsfutteranteilen, durch die eine hochwertige Versorgung sichergestellt werden kann. Die Mengen an Ergänzungsfutter sollten so gering wie möglich und so hoch wie nötig in möglichst vielen Mahlzeiten verabreicht werden. Um die Menge an Ergänzungsfutter so niedrig wie möglich zu halten, ist eine hochwertige Zusammensetzung entscheidend!

 

marstall: Vielen Dank für das Gespräch!

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Expertenmeinung

Dr. Christa Finkler-Schade studierte an der Universität Göttingen Agrarwissenschaften, Fachrichtung Tierproduktion. Sie promovierte zu den Themen Aufzucht, Fütterung und Betriebsmanagement. Heute berät Dr. Christa Finkler-Schade mit dem Unternehmen Schade & Partner vor allem Pferdebetriebe in Bereichen wie Betriebskonzeption und -management, Ernährung (Sport, Freizeit, Zucht) und Haltung. Gleichzeitig ist sie Reiterin, Turnierrichterin, Autorin und Referentin von Fachbeiträgen im In- und Ausland, Sachverständige des öbv für Pferdezucht und -haltung sowie Gastdozentin an Fachhochschulen und Universitäten. www.schadeundpartner.de

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